Kapitel 7 Fazit
[Zweck der Arbeit]Diese Arbeit hat versucht ein didaktisches Stufenmodell zum Aufbau von adäqaten Vorstellungen zum Themenbereich des empirischen Gesetzes der großen Zahlen mittels einer App umzusetzen. Die webbasierte App soll mithilfe des empirischen Gesetzes der großen Zahlen und des \(1/\sqrt{n}\)-Gesetz einen intuitiven Zugang zu Konfidenzintervallen für SchülerInnen darstellen. Zu diesem Zweck wird das Stufenmodell von Biehler und Prömmel (2013) aus mathematischer Sicht betrachtet und durch informatische Konzepte eine App entwickelt.
Zugänge zu Zufall und WahrscheinlichkeitAls Basis für das Erlernen von stochastischen Methoden können tragfähige Grundvorstellungen angesehen werden. Diese Grundvorstellungen entwickeln sich einerseits durch eigene Erfahrungen oder durch explizite Behandlungen im Unterricht. Aber auch durch die Betrachtung unterschiedlicher Zugänge zur Wahrscheinlichkeit können Grundvorstellungen entwickelt beziehungsweise ausgebaut werden. Insgesamt gibt es drei klassische Zugänge zur Wahrscheinlichkeit:
- empirischer Zugang: Der empirische Zugang liefert frequentistische Wahrscheinlichkeiten, welche Schätzungen für die objektive Wahrscheinlichkeiten sind. Dieser Zugang wird oft gewählt, wenn die Wahrscheinlichkeiten sich nicht theoretisch begründet angeben lassen. Mithilfe des empirischen Gesetzes der großen Zahlen kann die Stabilisierung der relativen Häufigkeiten bei häufiger Durchführung eines Zufallsexperiments begründet werden.
- theoretischer Zugang: Im Schulkontext wird der theoretische Zugang zumeist mit der Laplace-Wahrscheinlichkeit verknüpft. Die Laplace-Wahrscheinlichkeit nimmt an, dass bei endlichen Ereignismengen \(\Omega\) alle Elementarereignisse gleichwahrscheinlich sind.
- subjektiver Zugang: Beim subjektiven Zugang werden eigene Erfahrungen und Vorstellungen zur Schätzung von Wahrscheinlichkeiten herangezogen. Diese Aussagen stellen Vermutungen an und können gegebenenfalls auch revidiert werden. Zumeist ist diese Wahrscheinlichkeitseinschätzung eine Bewertung mit den Kategorien “mehr” oder “weniger wahrscheinlich”.
Die Grundvorstellungen können aber auch durch die Betrachtung von Mustern und Variabilität entstehen. Muster entstehen bei der Betrachtung von Zufallsexperimenten auf lange Sicht, dies wird mit dem empirischen Gesetz der großen Zahlen fassbar. In kurzen Serien (geringer Stichprobenumfang) werden die Muster aber durch Musterabweichungen (Variabilität) unterbrochen. Durch diesen Zugang kann der Fehlvorstellung, dass Zufall Musterlosigkeit bedeutet, entgegengewirkt werden.
StufenmodellIn der Arbeit wird explizit auf das Stufenmodell von Biehler und Prömmel (2013) Bezug genommen. Im Grunde kann dieses Stufenmodell in unterschiedlichen Klassenstufen zum Einsatz kommen, vorgeschlagen weden jedoch die Schulstufen 6 bis 12. Das Modell basiert auf dem empirischen Gesetz der großen Zahlen und führt über das \(1/\sqrt{n}\)-Gesetz zu einer intuitiven Vorstellung von Konfidenzintervallen. Insgesamt sind fünf Stufen in diesem Modell vereint. Die ersten drei Stufen haben explizit das empirische Gesetz der großen Zahlen im Fokus und behandeln dieses durch Betrachtung von Muster und Variabilität. Somit werden in diesen Stufen Grundvorstellungen zum Zufall behandelt. Die letzten beiden Stufen betrachten das \(1/\sqrt{n}\)-Gesetz sowohl empirisch als auch theoretisch und benötigen dadurch auch Vorwissen zu Quantilen, Binomialverteilung, Normalapproximation etc. Das Stufenmodell liefert Grundideen zu folgenden Vorstellungen und Erkenntnissen:
- Es gibt eine Stabilisierung der relativen Häufigkeiten bei häufiger Durchführung eines Zufallsexperiments.
- Als Vorhersage der relativen Häufigkeiten kann nur das Intervall \([0;1]\) angegeben werden. Da sonst keine sichere Vorhersage möglich ist.
- Bei häufiger Durchführung eines Zufallsexperiments gibt es keine Stabilisierung der absoluten Häufigkeit.
Biehler und Prömmel (2013) erstellten zu ihrem Stufenmodell eine Simulation, welche im Lehr- und Lernkontext eingesetzt werden kann.
SimulationSimulationen werden in der Mathematik zum Untersuchen eines Vorgangs, eines Prozesses oder eines Experiments mithilfe von mathematischen Modellen herangezogen. Klassisch wird zwischen Computersimulationen und physikalischen Simulationen unterschieden. Jedoch kann diese Unterscheidung im Lehr-Lernkontext verschwimmen. Für das Aufbereiten von Simulationen für den Einsatz im Unterricht gibt es durch kognitive Theorien (cognitive load theory, etc.) bedingte Gestaltungsprinzipien. Eine Analyse der Simulation ist durch das Konzept der Interaktionsmöglichkeiten und der Klassifizierung durch den Interaktionsgrad (vgl. Wörler (2018a)) möglich. Dabei werden die Interaktionsmöglichkeiten durch optionale Variationen des Modells und der Modellelemente einer Simulation klassifiziert. Der Interaktionsgrad gibt dann die Anzahl der tatsächlich vorhandenen Interaktionsmöglichkeiten an und ist somit ein ordinales, nicht-metrisches Merkmal.
SoftwareentwicklungUm solche Simulationen mithilfe informatischen Konzepte umzusetzen, kann die Softwareentwicklung herangezogen werden. Da jedes Projekt individuelle Anforderungen und Voraussetzungen hat, gibt es nicht den einen Softwareentwicklungsprozess. Jedoch gibt es grundlegende gemeinsame Elemente eines jeden Softwareentwicklungsprozess:
- Spezifikation: Die Spezifikation liefert die Definition der Funktionalität der Software.
- Entwurf und Implementierung: Die Modellierung und Implementierung der Software anhand der Spezifikation wird in dieser Phase durchgeführt.
- Validation: Die Validation soll sicherstellen, dass die Software alle Kundenanforderungen erfüllt.
- Evolution: Die Weiterentwicklung der Software findet in der Evolutionsphase statt.
Um die Entwicklung von Software zu erleichtern wurden Vorgehensmodelle (Wasserfallmodell, V-Modell, etc.) und auch Patterns (Muster welche immer wieder in Softwareprojekten auftreten) eingeführt. Ein Augenmerk sollte auch auf die Software-Qualität gelegt werden, welche Kriterien wie Usability, Maintainability oder Portability beinhaltet.
Entwickelte AppBiehler und Prömmel (2013) begleiten ihr Stufenmodell mit einer Simulation mit FATHOM. Die entwickelte App ist eine webbasierte App, welche betriebssystemunabhängig und ohne Installation benutzbar ist. Als Spezifikation gilt das Stufenmodell von Biehler und Prömmel (2013). Die webbasierte App ist mit R Shiny programmiert, welches eine Erweiterung von R ist. Für jede Stufe wurde das general user interface (GUI), die Funktionalität und die Abhängigkeiten der unterschiedlichen Elemente in der Entwurfsphase modelliert. In der Implementierungsphase wurde dann dieses Modell mithilfe von R Shiny und beispielsweise dem Pattern Observer programmiert. Da die App sehr GUI-lastig ist, wurde ein Usability-Test an einem Bundesrealgymnasium in Tirol durchgeführt. Mithilfe eines Fragebogens wurde Feedback zu vorgegebenen Kriterien, wie beispielsweise der Performance, Verständlichkeit, Bedienung etc. eingeholt. Doch auch Verbesserungsvorschläge konnten gemacht werden, welche vielfältig ausfielen. Die Evolutionsphase beinhaltete das Verbessern der Fehler, welche die SchülerInnen entdeckten.
[Ausblick]Das Stufenmodell wurde von Prömmel (2013) in der GESIM-Studie in Schulen auf den didaktischen Gehalt getestet. Daraus folgt, dass das Stufenmodell auch im Schulkontext verwendet werden kann. Als Ausblick der Arbeit bleibt noch übrig, ob die entwickelte App Einzug und Verwendung in den Schulen findet und ob die Lehrpersonen gewillt sind, diesen Zugang im Unterricht zu verwenden.